» Diskussion um alternative Antriebe seit den Dieselfahrverboten in Großstädten
» Hohe Anschaffungskosten bei geringen Reichweiten
» Barrierefreier Zugang in das Fahrzeug für Rollstuhlfahrer schwierig zu realisieren.
PFRONSTETTEN-AICHELAU. Die Debatte um die Dieselfahrverbote hat bei den Mobilitätskunden für große Verunsicherung gesorgt. Über 95 Prozent der Kunden im Bereich Behindertenmobilität kaufen Dieselfahrzeuge, aus Gründen der Langlebigkeit und wegen des sparsamen Verbrauchs. Zwar sind Fahrer mit einem entsprechenden Behindertenausweis per Gesetz von den Fahrverboten in den Städten ausgeschlossen, trotzdem: viele Kunden zögern im Moment eine Kaufentscheidung für ein neues Auto heraus. Doch es Vorteile aber auch klare Nachteile.
Im Moment stehen Elektrofahrzeuge noch eher selten in den Produktionshallen der Fahrzeugumrüster. Einige Tesla-Fahrzeuge sowie erste Elektro-V-Klassen wurden umgerüstet. Aber die Anfragen nehmen zu. Im Sommer wurde beispielsweise ein Tesla Model 3 mit SpaceDrive und einem Gas-Bremsschieber auf der rechten Seite umgerüstet und mit einem Ladeboy Heck ausgestattet. Die Kunden könnten durchaus von dem Mehr an Technik bzw. Elektronik profitieren. Beim aktuellen Tesla-Projekt beispielsweise kam der Kunde mit der serienmäßigen elektronischen Lenkung, die mit einem Kraftaufwand von etwa 8 Nm zu steuern geht, zurecht. Herkömmliche Servolenkungen kommen dagegen nur auf Werte ab 14 Nm und mehr. Hinzukommt, dass sich der Wert bei höheren Geschwindigkeiten nach oben verändern kann. Für viele Fahrer mit einer neurologischen oder Muskelerkrankung ist dieser Kraftaufwand oft nicht realisierbar. Zudem kann der Fahrer so gut wie alle Assistenzsysteme, die im Auto verbaut sind, nutzen. Besonders von Nutzen: die automatische Fahrt auf Autobahnen von der Ein- bis zur Ausfahrt, einschließlich Autobahnkreuzen und Überholen von langsameren Fahrzeugen.
Im Bereich der Kompaktwagen sind bereits einige Modelle auf dem Markt, wie beispielsweise der BMW i3, Hyundai Kona, Audi Etron, e-Golf, Modelle von Tesla, Kia, Renault, Nissan, Jaguar oder demnächst der Mercedes EQC. Allerdings sind diese Modelle nur für Fahrer geeignet, die noch ausreichend Kraft zum Umsetzen haben und mit einer Rollstuhlverladehilfe zurechtkommen. Auch im Kleinbusbereich wird sich etwas tun: wie zum Beispiel der eSprinter oder der eVito von Mercedes Benz und im kommenden Jahr der VW-Kleinbus ID Buz, der 2020 als elektrisches Modell auf den Markt kommen soll. Ähnliche Modelle sind auch von anderen Autokonzernen in Planung.
Doch es gibt ein weiteres Hemmnis: Wer mit einer körperlichen Einschränkung lebt, ist auf barrierefreie Mobilität angewiesen. Und die ist aufgrund der Bauweise der Elektrofahrzeuge – vor allem durch die Position der Batterie – für die Fahrer erheblich eingeschränkt, die mit einem Rollstuhl direkt vor das Lenkrad fahren müssen.
Der Einbau eines Liftes oder einer Verladerampe wird schwierig. Die Akkus sitzen fast immer in der Bodengruppe, genau da, wo beim Umbau eingriffen wird bzw. wo Änderungen an der Karosserie oder am Unterboden vorgenommen werden müssten. Einfacher ist dies ggf. bei einer Hybridlösung zu bewerkstelligen, die mit 48-Vlt-Technologie arbeitet und nicht ganz so große Batterien hat. Hinzu kommt: Die zusätzlichen Geräte brauchen Strom und das geht zu Lasten der Reichweite. Für Transferkonsole oder Kassettenlift müssten dann aller Voraussicht zusätzliche Batterien eingebaut werden. Die herkömmlichen Kassettenlifte, am Unterboden angebracht, können vermutlich gar nicht verbaut werden, weil es keine aufnahmepunkte an der Karosserie gibt und weil sie viel zu tief sind. Auch das Gesamtgewicht des Fahrzeuges könnte zukünftig für Probleme sorgen. Nur der Einbau eines innenliegenden Liftes würde aller Voraussicht nach weiterhin funktionieren. Allerdings ist diese Variante bei den Kunden nicht so beliebt.
Der Einbau von elektronischen Fahrhilfen, wie Joystick oder Gas-Brems-Schieber, ist dagegen kein Problem. Space Drive ist eine Nachrüstlösung. Die redundanten Servomotoren vollziehen genau die Bedienungsschritte, die auch der Mensch ausführt. Die Bedienung von Gas und Bremse bzw. der Lenkungen sind letztendlich analog.
Problematisch könnte zudem der Ladevorgang unterwegs werden. Rollstuhlfahrer sind darauf angewiesen, genügend Platz zum Öffnen der Fahrertür bzw. für das Verlassen des Fahrzeuges über eine Rampe zu haben. Doch Parkplätze mit Ladestationen sind der Regel mit Standardbreite ausgelegt. Abhilfe könnte da die autonome Ausparkfunktion – wie beispielsweise beim Tesla Model 3 – schaffen, wenn ein funktionierendes G4-Mobilfunknetz bzw, WLAN-Netz vorhanden ist.
Ein weiteres Hindernis für die Kunden ist im Moment der deutlich höhere Anschaffungspreis. Deshalb sind die Kunden recht zögerlich, egal ob mit oder ohne Fahrzeuganpassung. Da könnten gegebenenfalls höhere Fördermöglichkeiten bei der Beschaffung des Grundfahrzeuges Abhilfe schaffen. Für Fahrer die in den Rollstuhl umsetzen können und ausschließlich in der Stadt unterwegs sind, könnte das kleine wendige E-Mobil allerdings auch eine echte Alternative sein.
BU: Elektromobilität – ein Trend der Menschen, die auf eine aufwendige Fahrzeuganpassung angewiesen sind, zunehmend Kopfzerbrechen bereitet. Allerdings birgt die innovative Technologie auch Chancen – wenn sie bezahlbar ist.
Elektromobilität Pro & Contra
+ Vielfältige Assistenzsysteme erleichtern das Fahren
+ Umweltfreundliche Alternative im Stadtverkehr für Umsetzer
+ Neue Verkehrskonzepte mit autonomen Lösungen
– Barrierefreier Zugang ins Fahrzeug nicht leicht zu realisieren, wenige Fahrzeugtypen geeignet
– Kompaktwagen nur für Umsitzer mit Rollstuhlverladehilfe geeignet
– Wenig Kleinbuslösungen mit ausreichend Reichweite im Angebot
– Erhöhter Stromverbrauch durch zusätzliche Geräte wie Lift oder Space Drive
– Hohe Anschaffungskosten
– Hohes Gesamtgewicht